Neues DMP KHKEzetimib trotz Kritik jetzt im DMP

Bei Diagnostik und Therapie erfährt das DMP KHK viele wichtige Änderungen. Meist folgt der Gemeinsame Bundesausschuss dabei der Nationalen Versorgungsleitlinie – nicht jedoch bei der Lipidtherapie mit Ezetimib. Für Hausärzte ändern sich zudem Ziele und Dokumentation.

Mann mit KHK: Der G-BA hat das entsprechende DMP auf den aktuellsten Stand gebracht.

Berlin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat das Disease-Management-Programm Koronare Herzkrankheit (DMP KHK) aktualisiert. Der Beschluss tritt frühestens ab 1. April 2020 in Kraft, wie der G-BA mitteilt. Innerhalb eines Jahres müssen Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen dann die regionalen Verträge anpassen. Die Teilnahme von Patienten, die bis 31. März 2020 bereits eingeschrieben wurden, läuft – ohne erneute Diagnostik – weiter.

Im DMP wurden zentrale Punkte bei Diagnostik und Therapie an die überarbeitete Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK angeglichen. Weiter gefasst hat der G-BA die Kriterien für die Diagnose der KHK, die Patienten für die Einschreibung erfüllen müssen: Liegt eine typische Symptomatik vor, entfällt künftig der Nachweis mittels Belastungs-EKG. Die Diagnose kann dann mit nicht-invasiven Untersuchungsverfahren gesichert werden. Weiterhin am DMP teilnehmen können auch Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) oder KHK-Nachweis mittels Koronarangiografie.

Jährliche Laborkontrolle

Gestrichen hat der G-BA die jährliche Risikoabschätzung zur Therapieplanung. Stattdessen gibt es individuelle Verlaufskontrollen: Dabei sollen Ärzte insbesondere die Schwere einer Angina pectoris nach CCS (Klassifikation der Canadian Cardiovascular Society) erfassen sowie kardiale Risikofaktoren und mögliche KHK-Komplikationen wie Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen. Ebenso sollen sie Indikation und Wirksamkeit der Therapie – auch die Priorisierung bei Multimedikation (Stichwort Medikationsplan) – sowie die Therapietreue prüfen.

Mindestens jährlich sollen abhängig vom Risiko Laborkontrollen stattfinden, darunter eGFR, Blutzucker und Lipide. Diese Empfehlung basiert laut G-BA auf Leitlinien der ESC. Es sei aber nicht nötig, Nüchternplasmaglukose und Lipidprofil zusätzlich zu untersuchen, wenn dies bereits bei der Gesundheitsuntersuchung erfolgt ist.

Änderungen der medikamentösen Behandlung

Basis der medikamentösen Therapie bleibt bei chronischer KHK die Thrombozytenaggregationshemmung (TAH). Diese soll bis zu einem Jahr nach ACS mit ASS plus einem P2Y12-Antagonisten (zum Beispiel Clopidogrel, Ticagrelor, Prasugrel) erfolgen, danach mit ASS allein. Der G-BA betont, dass Unterbrechungen möglichst vermieden werden sollen, vor allem nach ACS oder perkutaner Koronarintervention (PCI). In den „tragenden Gründen“ führt das Gremium zudem aus:

  • Nach einem ACS sollen Hochrisikopatienten Ticagrelor plus ASS erhalten.
  • Nach einem STEMI mit PCI sollen Patienten entweder Ticagrelor plus ASS oder Prasugrel plus ASS einnehmen.

Ezetimib: G-BA weicht von NVL ab

Am meisten geändert hat sich die medikamentöse Behandlung bei Lipidsenkern und Betablockern. Statine bleiben Mittel der ersten Wahl. Da der G-BA weder Belege für eine feste Hochdosis- noch für eine Zielwert-Strategie („treat to target“) sieht, obliegt die Wahl Ärzten gemeinsam mit ihren Patienten. Der G-BA folgt damit der NVL. Bei Nebenwirkungen soll zunächst die Dosis des Statins reduziert und das Statin gewechselt werden.

Interessant ist jedoch die Empfehlung zu Ezetimib. Hier stützt sich der G-BA auf einen Rapid Report des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), der im Juli und damit nach der NVL vom April veröffentlicht wurde. Hierzu heißt es im DMP: Ezetimib kann Patienten mit KHK angeboten werden, „um hohe Statindosen zu vermeiden, wenn die LDL-Zielwerte unter niedrigen Dosen nicht erreicht werden“. Das IQWiG hatte daraufhin bei KHK-Patienten mit ACS einen Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen von Ezetimib plus Statin gegenüber Statin allein gesehen.

Wie verlässlich ist IMPROVE-IT?

Dem liegt die IMPROVE-IT-Studie zugrunde, wonach nicht-tödliche Herzinfarkte (14,8 auf 13,1 Prozent) und Schlaganfälle (4,8 auf 4,2 Prozent) mit der Kombi signifikant seltener auftreten. Dadurch ergibt sich ein Vorteil im primären kombinierten Endpunkt (34,7 auf 32,7 Prozent).

Die kardiovaskulär bedingte (6,9 auf 6,8 Prozent) und die Gesamtsterblichkeit (15,4 auf 15,3 Prozent) nehmen aber nicht ab. Kritisiert wurde zudem die zugrunde gelegte Definition des Herzinfarkts. Und auch das IQWiG selbst spricht die hohen und zwischen den Gruppen zeitlich unterschiedlichen Abbruchraten an, was das Ergebnis verzerren könne. Hinzu kommt laut Arznei-Telegramm, dass viele Teilnehmer nicht nachbeobachtet werden konnten, wodurch das „knapp signifikante Ergebnis zum primären Endpunkt wenig robust“ erscheint.

Betablocker nur für ein Jahr

Nach einem akuten Herzinfarkt sollen KHK-Patienten mindestens ein Jahr Betarezeptorenblocker einnehmen. Denn eine Reduktion der Todesfälle sei nur für zwölf Monate belegt, begründet der G-BA. Lediglich wenn weitere Indikationen vorliegen, sollen Betablocker fortgesetzt werden. Bislang galten sie als Mittel der ersten Wahl, das wird jetzt deutlich eingeschränkt.

Ebenso bei Angina pectoris: Hier sollen Patienten bei einem Anfall schnellwirkende Nitrate bekommen. Die weitere Therapie soll sich nach den Komorbiditäten und den kardiovaskulären Ereignissen des Einzelnen richten.

Einsatz von ACE-Hemmern klarer definiert

Klargestellt und damit enger festgelegt hat der G-BA auch den Einsatz von ACE-Hemmern. Neben der frühen Postinfarktphase sollen sie bei Herzinsuffizienz nur noch gegeben werden, wenn diese systolisch ist. Indiziert sind sie neuerdings auch bei chronischer Nierenerkrankung.

Vertragen Patienten ACE-Hemmer nicht, können Ärzte auf einen Angiotensinrezeptorblocker (ARB) umstellen. Diabetes oder Hypertonie muss dafür nicht mehr gleichzeitig vorliegen.

Impf-Empfehlungen schaffen es ins DMP

Wie in der NVL rät der G-BA Patienten mit einem BMI unter 30 kg/m2 nicht mehr zum Abnehmen. Sie sollen lediglich eine Gewichtszunahme vermeiden. Neu ist, dass Ärzte die Schutzimpfungen nach Ständiger Impfkommission (STIKO) empfehlen sollen.

Die Maßnahmen zum Rauchverzicht hat der G-BA präzisiert: Ärzte sollen auf nicht-medikamentöse, vor allem verhaltensverändernde Maßnahmen einer strukturierten Entwöhnung hinweisen sowie auf Arzneimittel, die aber von den Patienten selbst bezahlt werden müssen. Auf E-Zigaretten geht der G-BA nicht ein, weil aus seiner Sicht die Evidenz dafür bisher nicht reicht.

Sport für alle KHK-Patienten

Künftig sollen Ärzte alle DMP-Teilnehmer abhängig von ihrer Leistungsfähigkeit zu regelmäßiger körperlicher Aktivität motivieren: Sowohl zu viel Schonung als auch zu viel Belastung sollen vermieden werden. Bewegung soll in den Alltag integriert werden, etwa durch Treppensteigen, Spazierengehen oder Gartenarbeit.

Jedem soll zu einer Herzsportgruppe geraten werden, insbesondere Hochrisiko-Patienten. Bisher sah das DMP lediglich eine jährliche Kontrolle vor, ob Patienten von Bewegung profitieren. Der G-BA empfiehlt bei stabiler Angina pectoris ein moderates bis anstrengendes Training für mindestens zwei Stunden pro Woche. Patienten können aber auch 30 Minuten täglich aktiv sein.

Zusätzlich sollen sie mindestens zweimal in der Woche ein Krafttraining absolvieren, um ihre Muskelmasse zu erhalten und die Blutdruckregulation zu unterstützen. Dabei sollen vor allem die großen Muskelgruppen (Schultergürtel/Arme, Rumpf, Hüfte/Beine) gekräftigt werden.

Bei Depression Psychotherapie prüfen

Weiterhin sollen alle KHK-Patienten an geeigneten Schulungen teilnehmen. Der G-BA nennt dazu etwa Hypertonie, Diabetes und den Umgang mit Antikoagulantien.

Bei Patienten mit depressiven Symptomen hebt das Gremium hervor, dass Ärzte prüfen sollen, ob eine Psychotherapie angeboten werden soll.

Reha nur noch bei Bedarf

Abgeschwächt hat der G-BA die Empfehlung für eine Rehabilitation. Diese sollen nach wie vor Patienten nach einem ACS erhalten. Nach einer elektiven PCI ist dies nur bei hohem kardiovaskulären oder psychosozialem Risiko angezeigt.

Als weitere Gründe, bei denen Ärzte eine Reha erwägen können, nennt die DMP-Richtlinie: eine limitierende Symptomatik, ausgeprägtes Risikoprofil, psychosoziale Probleme, eine Gefährdung der Erwerbstätigkeit oder drohende Pflegebedürftigkeit.

Neue Qualitätsziele

All diese inhaltlichen Änderungen schlagen sich zum Teil auch in neuen Qualitätszielen und Dokumentationsvorgaben für Ärzte nieder. Anstatt eines generell hohen Anteils an Betablockern werden künftig nur noch die Patienten „gemessen“, die in den zwölf Monaten nach einem Herzinfarkt einen solchen einnehmen. Dokumentiert werden muss als relevantes Ereignis daher „Herzinfarkt in den letzten zwölf Monaten“.

Neu dabei ist auch, dass ein „hoher Anteil an Patienten mit leitliniengerechter Statintherapie“ angestrebt wird. Ärzte sollen daher künftig die Statin-Dosis, die gewählte Therapiestrategie (feste Dosis versus Zielwert) sowie den Grund für eine niedrige oder moderate Dosierung dokumentieren.

Als weiteres Ziel kommt ein hoher Anteil von Teilnehmern, die regelmäßig Sport treiben, hinzu. Dies halten Ärzte künftig ebenso im Dokumentationsbogen fest. In den „Tragenden Gründen“ empfiehlt der G-BA als Ziel, den Anteil von Patienten mit normotonem Blutdruck von jetzt 60 auf 65 Prozent anzuheben.

Quellen:

  1. Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die 18. Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL): Änderung der Anlage 5 (DMP KHK) und Anlage 6 (KHK Dokumentation) vom 22.11.19
  2. Tragende Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über die 18. Änderung der DMP-Anforderungen-Richtlinie (DMP-A-RL): Änderung der Anlage 5 (DMP KHK) und Anlage 6 (KHK Dokumentation) vom 22.11.19
  3. Nationale Versorgungsleitlinie Chronische KHK, 5. Auflage
  4. IQWiG Rapid Report A 18-83: Ezetimib zur Prävention kardiovaskulärer Ereignisse vom 5.9.2019
  5. Zu wenig, zu unsicher: IMPROVE-IT-Studie mit Ezetimib (Ezetrol), a-t 2015; 46: 58
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