PSA-ScreeningIQWiG attestiert mehr Schaden als Nutzen

Untersuchungen zur Früherkennung von Prostatakrebs, insbesondere das PSA-Screening, sind hoch umstritten. Nun bilanziert auch das IQWiG: Ein PSA-Screening in der GKV würde mehr schaden als nutzen. PLUS: Tipps für die Beratung im Praxisalltag.

PSA-Test: Der breite Einsatz ohne entsprechende Risikofaktoren beim Mann fällt beim IQWiG durch.

Berlin. Ein PSA-Screening erspart zwar einigen Patienten die Belastungen einer metastasierten Krebserkrankung oder verringert diese zumindest. Im Gegenzug müssen aber deutlich mehr Männer wegen Überdiagnosen und Übertherapie mit dauerhafter Inkontinenz und dauerhafter Impotenz rechnen, und das in relativ jungem Alter. Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in einem nun veröffentlichten Vorbericht.

Hintergrund für die Untersuchung ist der Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), zu prüfen, ob Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Prostatakarzinom-Screening mittels PSA-Test angeboten werden sollte. Nach Auswertung der Studienlage verneint das Institut diese Frage. Der Nutzen einer solchen Reihenuntersuchung wiege den damit verbundenen Schaden nicht auf.

Stellungnahmen zum Vorbericht nimmt das IQWiG bis 3. Februar entgegen.

IQWiG-Bewertung unterstreicht bestehende Kritik

Der Befund des IQWiG untermauert die – auch unter Hausärzten weit verbreitete – höchst kritische Sicht auf den PSA-Test. Weltweit sprechen sich nahezu alle nationalen Gesundheitsbehörden und auch Fachgesellschaften gegen ein organisiertes populationsbasiertes PSA-Screening aus; auch im jährlich veröffentlichten IGeL-Monitor fällt die Leistung seit Jahren durch. So empfiehlt auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) Hausärzten, Männer nicht aktiv auf die Möglichkeit eines PSA-Screenings anzusprechen, sofern diese den Wunsch nach einer Früherkennungsuntersuchung mittels PSA nicht von sich aus äußern (s. Kasten).

„Screeningmaßnahmen können erhebliche Schäden nach sich ziehen“, bilanziert IQWiG-Leiter Jürgen Windeler. Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs sollte gegenwärtig innerhalb der GKV kein organisiertes Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test angeboten werden. Inwieweit ein risiko-adaptiertes Vorgehen, das aktuell diskutiert und auch in Deutschland evaluiert wird, zu einer Änderung der Bewertung führen könne, bleibe abzuwarten, heißt es beim IQWiG.

Neue Nutzenbewertung basiert auf elf Studien

Die jetzt vorliegende Nutzenbewertung beruht auf der Auswertung elf randomisierter kontrollierter Studien mit mehr als 400.000 eingeschlossenen Teilnehmern (in der Regel Männer zwischen 55 und 70 Jahren, Beobachtungszeitraum zwischen 13 und 20 Jahre). In allen Studien verglichen die Forscher ein Prostatakarzinomscreening mittels PSA-Test mit keinem Screening auf ein Prostatakarzinom. Das Ergebnis: Durchschnittlich etwa 3 von 1.000 Patienten innerhalb von zwölf Jahren profitierten, da ihnen ein Screening die Belastung einer metastasierten Erkrankung ersparte oder die Leiden verringerte. “Unklar bleibt, ob das Screening dabei zu einer nennenswerten Lebensverlängerung von Patienten führt”, heißt es jedoch. Denn zwar bewahre ein PSA-Screening statistisch betrachtet 3 von 1.000 Patienten innerhalb von 16 Jahren vor dem Tod durch ein Prostatakarzinom, eine Änderung der Gesamtsterblichkeit ließe sich dagegen in den Studien nicht zeigen.

Dies hatte bereits eine Cochrane-Metaanalyse 2013 gezeigt: Auch nach dieser Auswertung beeinflusst das Screening weder die Sterblichkeit an Prostatakrebs noch die Gesamtsterblichkeit. 

Gleichzeitig zeigt sich in den nun untersuchten Studien – ebenso wie teils bereits in der Vergangenheit -, dass ein PSA-Screening bei Männern ohne Verdacht auf Prostatakrebs häufig zu Überdiagnosen und falsch-positiven Befunden führt. Dabei stelle für die überdiagnostizierten Männer allein die Diagnose einer potenziell tödlichen Erkrankung einen Schaden dar, schreiben die IQWiG-Autoren. “Hinzu kommen Belastungen durch eine unnötige Prostatabiopsie und eine eigentlich nicht erforderliche Therapie. Mögliche Komplikationen der Therapie wie Impotenz und Inkontinenz sind zudem in vielen Fällen nicht reversibel und wirken wegen des frühen Therapiezeitpunkts lange nach.” Eine dauerhafte Inkontinenz durch ein PSA-Screening befürchten müssten nach einer Modellierung zusätzlich 3 von 1.000 Männern, zusätzlich 25 von 1.000 Männern drohe eine dauerhafte Impotenz.

Der Anteil der falsch-positiven Diagnosen lag den IQWiG-Angaben zufolge zwischen 22 und 26 Prozent. Nach Prostatabiopsien traten in den Studien bei etwa 2 Prozent der Männer Komplikationen auf.

Häufigste Tumorerkrankung des Mannes

Gemessen an der Neuerkrankungsrate ist das Prostatakarzinom in Deutschland mit 23 Prozent aller Krebserkrankungen die häufigste Tumorerkrankung des Mannes. Nach Schätzung des Robert Koch-Instituts erhielten 2014 57.370 Männern erstmals die Diagnose Prostatakrebs. Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 72 Jahren, vor dem 45. bis 50. Lebensjahr tritt das Prostatakarzinom kaum auf. Im Jahr 2017 starben in Deutschland knapp 14.000 Männer an den Folgen eines Prostatakarzinoms. Das waren 3 Prozent aller in diesem Jahr verstorbenen Männer (gesamt: 460.000).

Derzeit kommen in Deutschland zwei Screening-Tests auf das Prostatakarzinom zum Einsatz: die digital-rektale Untersuchung und der Test auf das prostataspezifische Antigen (PSA). Die digital-rektale Untersuchung ist Teil des gesetzlichen Früherkennungsangebots für Männer ab dem 45. Lebensjahr und wird somit von den Krankenkassen erstattet – der PSA-Test hingegen nicht. Die digital-rektale Untersuchung war nicht Gegenstand der aktuellen Nutzenbewertung. “Es gibt allerdings keinen Grund anzunehmen, dass diese besser in einer Bewertung abschneiden würde als der PSA-Test”, heißt es in der Mitteilung des IQWiG.

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