DiskriminierungHIV: Alte Denkmuster korrigieren

Menschen mit HIV erleben ihre Infektion immer seltener als gesundheitliche Einschränkung, sind aber weiterhin mit Ablehnung und Benachteiligung konfrontiert. Diskriminierung und Stigmatisierung finden sich auch im Gesundheitswesen.

Die 90-90-90-Ziele der UN sind in Deutschland erreicht. Das bedeutet, dass mindestens 90 Prozent der Menschen mit HIV diagnostiziert sind, davon mindestens 90 Prozent antiretroviral behandelt werden und bei mindestens 90 Prozent die Viruslast unter der Nachweisgrenze ist.

Wir können unseren Patientinnen und Patienten mit HIV aktuell eine optimale und in der Regel lebenslang gut verträgliche und effektive Therapie anbieten und somit eine dauerhaft supprimierte Viruslast erreichen.

Die Lebenserwartung ist bei rechtzeitiger Therapieeinleitung vergleichbar mit der der HIV-negativen Bevölkerung. Innovative neue Therapiekonzepte, wie eine intramuskuläre Therapie mit langwirksamen Substanzen, die alle acht Wochen gespritzt werden, sind ein Meilenstein und bieten vielen Betroffenen eine diskrete und effektive Therapie mit neuen Freiheiten.

Bei supprimierter Viruslast kann ein sexuelles Transmissionsrisiko ausgeschlossen werden (Treatment as Prevention). Frauen mit HIV unter suppressiver antiretroviraler Therapie können gesunde Kinder bekommen und diese unter ärztlicher Begleitung stillen.

Trotz der optimalen Therapiemöglichkeiten und der damit einhergehenden Vorteile leiden Menschen mit HIV weiterhin unter Stigmatisierung und Diskriminierung im privaten Umfeld, in der Arbeitswelt und leider immer wieder auch im Gesundheitswesen – nicht selten zusätzlich begleitet von Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung oder Gender.

Diskriminierung im Gesundheitswesen

Das Forschungsprojekt “positive Stimmen 2.0” hat HIV-bezogene Diskriminierungserfahrungen auch mit Fokus auf das Gesundheitswesen untersucht. Etwa ein Viertel der Befragten berichtete über negative Erfahrungen wie die sichtbare Kennzeichnung der Patientenakte für Dritte, Vermeidung von Körperkontakt oder unangemessene Fragen (zum Beispiel wie sich eine Person infiziert hat).

16 Prozent berichteten, dass ihnen in den letzten zwölf Monaten eine zahnärztliche Versorgung verweigert wurde.

In einer Onlineumfrage gab mehr als die Hälfte der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten mindestens eine negative Erfahrung im Gesundheitswesen gemacht zu haben. Etwa wurde ihnen ein Behandlungstermin am Ende der Sprechstunde gegeben, weil fälschlich davon ausgegangen wurde, dass besondere Reinigungsmaßnahmen notwendig seien.

Oder ihr HIV-Status wurde gegen ihren Willen anderen Personen preisgegeben. Oft liegen einem solchen Verhalten übertriebene und unnötige Vorsichtsmaßnahmen zugrunde.

Diskriminierung wird gerade im Gesundheitswesen als besonders belastend empfunden. Besonders problematisch ist es, wenn sehr gut behandelte Personen mit HIV zu bestimmten medizinisch nicht begründeten Verfahren wie Schwangerschaftsverhütung, Gebrauch von Kondomen in einer Beziehung oder Stillverzicht gedrängt werden.

Nicht selten führen derartige Erfahrungen bei Betroffenen dazu, den HIV-Status gegenüber Behandlern zu verheimlichen. Daraus können sich dann andere, gegebenenfalls schwerwiegende Probleme ergeben, wenn Ärzte zum Beispiel Medikamenteninteraktionen nicht überprüfen können oder wenn eine adäquate Beratung zu spezifischen Vorsorgeuntersuchung oder zu empfohlenen Impfungen nicht erfolgen kann.

Diskriminierung am Arbeitsplatz

Im Arbeitsleben verschweigt eine große Mehrheit ihre HIV-Infektion, um Nachteilen zu entgehen. Das Spektrum reicht von Ausgrenzung bis zu Verweigerung einer Anstellung, Beförderung oder Verbeamtung.

Oft besteht eine nicht nachvollziehbare Angst vor einer HIV-Übertragung am Arbeitsplatz, begleitet von Vorbehalten gegen die meist betroffenen Personengruppen wie homo- und bisexuelle Männer oder generell Menschen, die mit einem “negativen” Sexualverhalten in Verbindung gebracht werden.

Menschen mit HIV sind bei der alltäglichen Arbeit nicht ansteckend, daher darf der Arbeitgeber außer in sehr begründeten Ausnahmefällen (zum Beispiel Arbeitseinsätze in Ländern mit Einreisebeschränkungen) nicht nach der HIV-Infektion fragen und Fragen danach müssen nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden.

Rechtlich gesehen fällt eine HIV-Infektion unter das Diskriminierungsverbot aufgrund einer Behinderung. Personen mit HIV sind in der Regel weder weniger leistungsfähig noch häufiger krank als andere Arbeitnehmer.

Dies gilt größtenteils auch bei Tätigkeiten im medizinischen Bereich mit erhöhter Infektionsgefahr. Unter funktionierender antiretroviraler Therapie und unter Einhaltung der vorgegebenen hygienischen Standards ist die Wahrscheinlichkeit einer HIV-Übertragung so gut wie ausgeschlossen. Insbesondere gilt dies auch bei invasiven medizinischen Maßnahmen durch HIV-positives medizinisches Personal.

Weder steht eine HIV-Infektion einer Verbeamtung auf Lebenszeit automatisch entgegen noch ist sie ein grundsätzlicher Hinderungsgrund für die Aufnahme als Berufssoldat/in.

Infektionen rechtzeitig erkennen

Neben einer diskriminierungs- und wertungsfreien Betreuung von Personen mit HIV ist es auch wichtig, eine HIV-Infektion rechtzeitig zu erkennen. Hierbei spielt die hausärztliche Versorgung eine zentrale Rolle.

Der Anteil von Personen mit HIV, die in einem späten Stadium mit deutlich erniedrigten Helferzellen und/oder AIDS-definierenden Erkrankungen diagnostiziert werden, ist in Deutschland seit vielen Jahren gleichbleibend hoch bei circa 50 Prozent.

Es gibt hierfür vielfältige Ursachen, etwa die fehlende Erhebung des Sexualanamnese oder mangelndes fachliches Wissen auf ärztlicher Seite sowie Unkenntnis über Testmöglichkeiten oder Präventionsmaßnahmen in der Bevölkerung.

Die FIND-HIV-Studie konnte zeigen, dass bei mehr als der Hälfte der HIV-Neudiagnosen eine frühzeitigere Erkennung an verschiedenen Stellen des Gesundheitswesens möglich gewesen wäre (im Schnitt 20 Monate bei Menschen mit fortgeschrittenem Immundefekt). Eine frühere Diagnose und Therapie reduziert nicht nur die Transmission, sondern senkt auch Morbidität und Mortalität erheblich.

Bei B-Symptomatik, sexuell übertragbaren Erkrankungen sowie bei den typischen HIV-Indikatorerkrankungen sollte den Betroffenen daher aktiv ein HIV-Test angeboten werden. Ein wichtiger Schlüssel hierbei ist auch die Erhebung der Sexualanamnese.

Literatur beim Verfasser

Interessenkonflikte: Zuwendung im Rahmen von Vorträgen, Beiträgen oder Kongressunterstützung von ViiV, Gilead, Janssen, MSD, Hexal, Mylan

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